2022-10-21, 17:00–17:30 (Europe/Berlin), Einstein-Saal
Keynote FIfFKon22 „make install peace – Impulse für den Frieden“
Die Ursprünge des Internets, so wie wir es heute kennen, basierten auf der Idee eines Austauschs von Ideen, Informationen und Codes. Im Laufe der Jahre entwickelten sie so eine Technologie, die den freien Informationsfluss unterstützt. Seit einigen Jahren, spätestens jedoch seit der Entdeckung von Stuxnet im Jahr 2010, wissen wir jedoch, dass auch Militär und Geheimdienste den sogenannten Cyberspace als Domäne für ihre Zwecke entdeckt haben. Aus Sicht der internationalen Sicherheit hat diese Entwicklungen der Militarisierung des Cyberspace zu einer Situation geführt, in der sich Streitkräfte einerseits zunehmend auf offensive Operationen in diesem Bereich vorbereiten. Andererseits fehlen gleichzeitig geeignete Maßnahmen, um diese Gefährdung der internationalen Sicherheit einzugrenzen oder überhaupt einschätzen zu können. Im Gegensatz zu konventionellen Waffen wie Raketen ist zum Beispiel noch unklar, wie der potenzielle Schaden einer Cyberwaffe gemessen oder kategorisiert werden kann. Dieses Ungleichgewicht hat zu nationalen Sicherheitsbedenken, unter anderem aufgrund von Vermutungen über das militärische Leistungsvermögen potentieller Gegner, geführt und ein neues Wettrüsten mit Cyberwaffen ausgelöst, wodurch die internationale Lage zunehmend destabilisiert wird. Gleichsam verfügt der Cyberspace jedoch über einen wichtigen und einzigartigen Vorteil gegenüber allen früheren militärischen Aneignungen von Technologie: Er ist eine vollständig von Menschen geschaffene Domäne, deren "Naturgesetze" von Informatikerinnen und IT-Praktikerinnen geschaffen und weiterentwickelt werden. Informatikinnen setzen sich seit langem für IT-Sicherheit, Datenschutz und die Umsetzung und Wahrung demokratischer Rechte in Software, Diensten und Infrastrukturen ein. Neben diesen Persönlichkeitsrechten erfordert die neue Situation bezüglich geheimdienstlicher und militärischer Akteure nun jedoch die Stärkung weiterer gefährdeter Werte, wie etwa des internationalen Friedens und der Sicherheit sowie der Unversehrtheit globaler IT-Infrastrukturen. Gleichzeitig müssen Maßnahmen wie die friedliche Nutzung und Weiterentwicklung der Domäne Cyberspace in den zugrunde liegenden technischen Systeme etabliert werden. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie das Zerstörungspotenzial von “Cyber-Waffen” begrenzt oder geheimdienstliche und militärische Aktivitäten im Cyberspace reguliert und kontrolliert werden können. Dies führt zu einer wichtigen Schlussfolgerung: Wenn es die Informatikerinnen sind, die den Cyberspace gestalten und seine zukünftige Entwicklung entscheidend mitbestimmen, dann sind auch sie es, denen in Anbetracht der oben beschriebenen Herausforderungen die Aufgabe der Entwicklung technischer Lösungsansätze zufällt, um eine friedliche und sichere Entwicklung des Cyberspace zu ermöglichen. Davon ausgehend ergibt sich eine Vielzahl von Fragen und Herausforderungen, die es zu lösen gilt, die der Vortrag am Beispiel einer Rüstungskontrolle für den Cyberspace veranschaulicht. Während viele der Fragen dabei aktuell noch unbeantwortet bleiben ist es das Plädoyer der Keynote, dass sich Informatikerinnen dieser Herausforderungen annehmen und als die Lobbyistinnen für den Schutz und die friedliche Entwicklung des Cyberspace Politiker*innen dabei unterstützen und Lösungen erarbeiten.
Thomas Reinhold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Fachgebiet Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) der Technischen Universität Darmstadt. Er befasst sich mit IT-gestützten Möglichkeiten für Rüstungskontrolle militärischer Aktivitäten und Abrüstung im Cyberspace sowie den Problemen einer Militarisierung von Künstlicher Intelligenz.
- Webseite: https://peasec.de/team/reinhold/